lite Schaser S2 2017-05-03

Universität Hamburg

Fakultät für Geisteswissenschaften

Historisches Seminar

54-106 Einf II: Der Erste Weltkrieg als globales Phänomen

Dozentin: Prof. Dr. A. Schaser

 

Rezension zu

Dollard, Catherine: Marital Status and the Rhetoric of the Women’s Movement in World

War I Germany, in: Women in German Yearbook, Bd. 22 (2006), S. 211-235.

 

vorgelegt von: Lina Teichert

Matrikel-Nr.: 6249756

E-Mail: Lina.Teichert@gmx.de

Rezensionsdatum: 03.05.2017

 

In ihrem Aufsatz, Marital Status and the Rhetoric of the Women’s Movement in World War I Germany, beschäftigt sich Catherine Dollard mit der Frage, inwiefern sich die Rhetorik der deutschen Frauenbewegung, durch den Ausbruch des Ersten Weltkrieges, veränderte. Hierbei legt sie ihren Schwerpunkt auf die Rhetorik bezüglich des Familienstandes von Frauen, da die Probleme von alleinstehenden Frauen eines der Kernthemen der deutschen Frauenbewegung waren, was sich mit dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges änderte. Eben diesen Wandel möchte Dollard in ihrem Artikel erklären.

Dollard stellt fest, dass sich wissenschaftliche Forschung zu Frauen und den Ersten Weltkrieg zumeist auf die direkten Erfahrungen von Frauen konzentriert oder ihren Fokus auf literarische Werke als Reaktionen auf den Ersten Weltkriegt von Frauen legt. Wenig aber wurde über die Auswirkungen des Ersten Weltkrieges auf die Frauenbewegung geforscht.

Dollard benennt die Monographie Die Kriegsgewinnlerinnen: Praxis und Ideologie der deutschen Frauenbewegung im Ersten Weltkrieg von Sabine Hering, als die einzige Monographie, die sich gezielt mit den Auswirkungen des Krieges auf die Ziele, Beschaffenheit sowie Rhetorik der deutschen Frauenbewegung auseinandersetzt. Hering macht mit konservativen Patriotinnen, moderaten Aktivistinnen und Kriegsgegnerinnen drei verschiedene Gruppen von Frauenrechtsaktivistinnen während des Ersten Weltkrieges aus. Dollard kritisiert an dieser Stelle, dass Herings Buch die Frage aufwirft, inwiefern moderate Aktivistinnen letztendlich nur Überlebende des Krieges waren, die lediglich dazu bereit waren, in einer schrecklichen Situation Kompromisse einzugehen, das Überleben der Frauenbewegung zum Ziel gesetzt. Dollard ist konträr zu Hering nicht der Auffassung, moderate Aktivistinnen seien ihren Zielen von vor dem Krieg treu geblieben, im Gegenteil geht sie davon aus, dass die maternalistische sowie nationalistische Rhetorik moderater Aktivistinnen zu einem völkischen Feminismus führten, der noch bis nach dem Krieg Konsequenzen mit sich zog.

Um ihre These zu unterstützen, zieht Dollard schriftliche Quellen von sowohl moderaten Aktivistinnen als auch konservativen Patriotinnen heran. Bei Quellen von moderaten Aktivistinnen handelt es sich um Texte des Bund deutscher Frauenvereine (BDF), welcher die größte Frauenorganisation war, sowie Texte von Elisabeth Gnauck-Kühne und Lily Braun, welche nach Herings Schema in die Kategorie der konservativen Patriotinnen fallen.

Ihre Fragestellung behandelt Dollard in zwei Schritten. Sie gibt an, in einem ersten Schritt einen kurzen Überblick über die Wichtigkeit des Frauenüberschusses während des deutschen Kaiserreiches für die deutsche Frauenbewegung zu geben und in einem zweiten Schritt von Aktivistinnen während des Ersten Weltkrieges verfasste Texte behandeln zu wollen, um aufzuzeigen, wie sich die Rhetorik führender deutscher Frauenrechtsaktivistinnen mit Einbruch des Krieges veränderte.

Dollard beschreibt, wie durch die Industrialisierung besonders bürgerliche Frauen aus ihrer häuslichen Rolle gedrängt wurden. Als Gründe führt sie die kommerziellen und technologischen Fortschritte an, die die Hausarbeit vereinfachten, als auch die Entscheidung vieler Männer aus der Mittelschicht, erst später zu heiraten sowie in ihrer Heiratswahl wählerischer waren, was zu einem gefühlten so genannten Frauenüberschuss führte.

Da viele junge und vor allem bürgerliche Frauen durch ihren Status als unverheiratete Frauen nicht mehr durch eine Heirat finanziell versorgt waren, machte es sich die deutsche Frauenbewegung zur Aufgabe, für mehr und bessere Bildung für Frauen und Mädchen zu streiten. Dollard nimmt in diesem Zusammenhang Bezug auf Helene Lange, die sich als Mitglied des BDF und als Lehrerin für eine bessere Mädchenbildung einsetzte. Außerdem hält Dollard fest, dass Heirat immer noch als das erstrebenswerte Ziel, das sich jede Frau wünschte, wahrgenommen wurde. Es wurde jedoch argumentiert, dass auch diejenigen Frauen, die nicht heiraten konnten, durch höhere Bildung und einen Beruf innerhalb einer „weiblichen“ Tätigkeit wie Lehrerin oder Kindergärtnerin abgesichert sein sollten.

Mit dem Ausbruch des Krieges und den im Krieg gefallenen Männern, wurde der gefühlte Überschuss an unverheiratete Frauen von vor dem Krieg ein tatsächlicher Frauenüberschuss, sodass angenommen werden kann, dass die damalige Frauenbewegung in ihrer Argumentation auf diesen zurückgegriffen hätte. Dies war allerdings nicht der Fall, im Gegenteil kommt Dollard zu dem Schluss, dass die Diskussion um den Frauenüberschuss komplett aus der öffentlichen Diskussion verschwand. Als Ursachen hierfür sieht Dollard den völkischen Nationalismus, der durch das Aufkommen des Krieges Frauenarbeit als „mütterliche“ Pflicht gegenüber dem Vaterland und Volk stilisierte, sodass bürgerliche Aktivistinnen letztendlich argumentierten, Frauen müssten sich ihre Rechte erst durch Pflichterfüllung an der Heimatfront verdienen.

Rezension (Datei)

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14 Kommentare

  1. wieso ist der Überschuss gefühlt?
    „von vor“ ist eine nicht so elegante Formulierung.
    Erster Satz ist unklar.
    „Dies war allerdings nicht der Fall.“ oder weglassen.
    Auch hier in dem Absatz generell mehrere Sätze machen. Aber ansonsten super Rezension.Reference

  2. „Jedoch hält Dollard fest, dass Heirat immernoch ein erstrebenswertes Ziel war“ finde ich besser , aber Warum ist das so? der Staz an der Stelle kommt mir etwas fehl am Platz vor, weil du danach ja wieder weiter auf den Bildungsaspekt eingehst.Reference

  3. „bürgerliche, unverheiratete Frauen“
    Könntest eventuell auch anstatt „mehr und bessere Bildung“
    „mehr und qualititiv hochwertigere Bildung“ oder so in die richtung schreiben.Reference

  4. „als auch die Entscheidung vieler Männer aus der Mittelschicht, erst später zu heiraten sowie in ihrer Heiratswahl wählerischer waren“
    –> statt „wählerischer waren“ –> „wählerischer zu werden“?Reference

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