ancl Schaser S2 2017-05-24

 

 

Rezension des Aufsatzes:

Kaiser, Gerhard: Wie die Kultur einbrach. Giftgas und Wissenschaftsethos im Ersten Weltkrieg, in: Merkur 56 (2002), S. 210-220.

Gerhard Kaiser beschreibt in seinem Artikel den ersten Einsatz von Giftgas im Ersten Weltkrieg sowie dessen Folgen. Er zeigt auf, wie wenig ernsten Widerstand es gegen den Einsatz von Chemischen Kampfmitteln gab; weder von Seiten der ausführenden Soldaten, noch von der Gesellschaft nach dem Krieg.

Der Autor nennt seinen eigenen Standpunkt nicht explizit, jedoch wird dieser durch einige seiner Aussagen wie zum Beispiel „Noch armseliger argumentiert das Kriegstagebuch der 9. Armee“ (S.216) ziemlich deutlich, wobei in diesem Kriegstagebuch der Einsatz von chemischen Waffen unter Anderem damit gerechtfertigt wird, dass diese nur die „Fortentwicklung der bisher in allen Armeen geübten Praxis dar[stellt]“ (S.216). Die Leitthese des Aufsatzes lautet, dass die Kultur mit dem Einsatz von Giftgas als militärische Waffe „eingebrochen“ sei. Diese These stellt er mit dem Titel seiner Arbeit auf. Als Beispiel nutzt er den Giftgaskrieg im Ersten Weltkrieg und die für ihn nicht ausreichenden Stimmen gegen den Einsatz solcher Waffen undverurteilt Aussagen, welche versuchen die Benutzung dieser zu entschuldigen. Der Autor impliziert hier also, dass die Kultur von den Menschen verlangte hätte, menschenverachtende Maßnahmen, wie zum Beispiel den Einsatz von Giftgas, kritischer zu hinterfragen und zu verurteilen. Da dies nicht geschehen ist, schreibt er von der „eingebrochenen“ Kultur.

 

Im ersten Teil des Aufsatzes beschreibt er mithilfe einer Quelle wie der erste Einsatz von Giftgas durchgeführt wurde. Die Quelle, ein Feldpostbrief von einem Wilhelm, der laut Autor am 17. April 1915 abgeschickt wurde, soll Andeutungen zum ersten großen Giftgasangriff Seitens Deutschlands beinhalten. Ausgehend hiervon legt Kaiser dar, wie dieser Angriff wohl abgelaufen ist.

Danach geht er dazu über die Entwicklung von Kampfgas in Deutschland zu erklären, welches laut Autor aus dem Problem des Munitionsmangels entstanden sei, und danach bringt er die Behauptung an, dass „Die Kampfwirkung des Giftgases (…) enorm“ war, „besonders auch die Psychische durch Panikerregung“ (S.212-213). Jedoch wird diese Hypothese weder weiter ausgeführt, noch werden Beweise dafür angebracht.

 

Der Nächste Teil befasst sich im Kern mit Prof. Dr. Fritz Haber und dessen Forschungen. So wird dieser zum Beispiel als „Erfinder des effektiven Gaskrieg(s)“ (S. 214) betitelt. Er macht auf die Entwicklung von Zyklon B, das Gift von Auschwitz, sowie auf positive Errungenschaften der Forschung Habers aufmerksam.

Im letzten Teil des Textes geht Gerhard Kaiser eher auf die Reaktionen, einerseits von am Angriff Beteiligter, andererseits von Wissenschaftlern der damaligen sowie Nachkriegszeit, ein. Der Autor bringt einige Zitate an und verurteilt die Einfachheit der Argumente, mit denen sich Soldaten, die etwas mit Giftgas zu tun hatten, rechtfertigen. Danach geht er außerdem auf Wissenschaftler ein, die teils für den „Fortschritt“ waren, teils dagegen.

 

Kaiser beendet seinen Aufsatz, indem er noch einmal skizziert wie die Wissenschaft moralisch abgestürzt ist, wobei er einige lebhafte Beispiele beschreibt. Er nutzt die Bispiele außerdem, um zu unterstreichen wie weitreichend einige Folgen dieses Absturzes noch bis heute zu spüren sind. Allgemein fällt auf, dass sich zum Großteil auf eine Monographie, „Der Gaskrieg 1914/18. Entwicklung, Herstellung und Einsatz chemischer Kampfstoffe. Das Zusammenwirken von militärischer Führung, Wissenschaft und Industrie.“ von Dieter Martinez bezogen wird. Dies ist eine seriöse Monographie, sie sich häufig auf Originalquellen stützt. Da jedoch nicht kenntlich gemacht wurde, welche der Zitate und welche Fakten alle aus dieser Monographie stammen, lassen sich die Stichhaltigkeit der jeweils einzelnen Zitate und den damit verknüpften Thesen nur schwer beweisen.

Des Weiteren ist anzumerken, dass teils nicht ersichtlich ist, was seine Aussagen bezwecken sollen. Die Arbeit von Kaiser ist keine einmalige Arbeit. Bücher und Aufsätze zur Entartung der Gewalt und Kriegsverbrechen lassen sich auch an einigen anderen Stellen finden. Und wie er selbst erwähnt soll der Aufsatz keine neuen Erkenntnisse schaffen, sondern nur einen „Versuch einer aktuellen Perspektivierung“ (S.210) darstellen.

 

Der Artikel von Gerhard Kaiser ist interessant zu lesen, jedoch würde ich ihn nicht unbedingt jedem weiterempfehlen. Um den Aufsatz angemessen auswerten zu können sollten gewisse Vorkenntnisse rund um die Thematik des Giftgases vorhanden sein. Der Aufsatz ist also nicht für die geeignet, welche einen Einstieg in das Thema suchen. Wer jedoch einen neuen Blickwinkel auf das Thema entdecken möchte und sich auch für die nachhaltigen Folgen auf die Gesellschaft interessiert, was die Einstellung Chemischer Waffen gegenüber angeht, dem würde ich diesen Aufsatz ans Herz legen. Besonders die vielen Quellen, die wörtlich zitiert werden, ermöglichen von diversen Seiten Einblick in das Thema Giftgas und dessen Wirkung sowie Auswirkung auf die Menschen. Die wenigen Fußnoten und damit Nachweise, welche die aufgestellten Thesen unterstützen könnten, sind nicht optimal, auch wenn in der ersten Fußnote erklärt wird, dass viele Fakten und Zitate aus dem Buch „Der Gaskrieg 1914/18“ von Martinez stammen, so kann man sich nicht sicher sein woher genau, wodurch das nachprüfen und weiterforschen erschwert wird. Außerdem wirken einige Formulierungen des Aufsatzes sprachlich nicht dem Thema entsprechend, was den Lesefluss stört und den Artikel weniger seriös erscheinen lässt.

 

Rezension Wie die Kultur einbrach (Giftgas) 24.05.2017 ancl

 

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7 Kommentare

  1. „Versuch einer aktuellen…“
    Selbst wenn keine historischen Erkenntnisse gewonnen werden: Ist denn wenigstens die Perspektivierung (1. Weltkrieg / 9.11 etc.) gelungen?Reference

  2. „lebhafte Beispiele“
    Zum Beispiel? Wie zieht Kaiser Linien vom WK bis heute?

    „Da jedoch nicht kenntlich…“
    Das ist zwar richtig aber auch schlecht kritisierbar: Siehe oben, der Text ist kein Fachaufsatz.Reference

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