stsu Schaser S2 überarbeitet 2017-05-24

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Rezension: „Die Wegscheide von 1917“

Die Beteiligung der meisten alliierten Staaten am Ersten Weltkrieg ist bereits hinreichend erforscht: Australien und Neuseeland kämpften in der Schlacht von Gallipoli, das japanische Kaiserreich im Pazifischen Ozean und in China, sowie Großbritannien, Frankreich und das Zarenreich auf den europäischen Schlachtfeldern. Ebenso ist die Beteiligung der Vereinigten Staaten und ihr damit verbundener Aufstieg zur neuen globalen Supermacht in der Geschichtsforschung hinlänglich bekannt. Während allerdings die Beiträge der nordamerikanischen Großmacht ausreichend erforscht sind, sind die des südamerikanischen Kontinents bisher wenig, bis gar nicht bekannt.

Diese Lücke versucht Stefan Rinke im Kapitel „Die Wegscheide von 1917“ aus seinem Buch: „Im Sog der Katastrophe: Lateinamerika und der Erste Weltkrieg“ zu füllen. Er gibt außerdem einen Einblick auf den Einfluss der USA über die lateinamerikanischen Staaten, sowie ihre Beziehungen und Rivalitäten untereinander.

Der Kriegserklärung der Vereinigten Staaten gingen eine Reihe von Ereignissen voraus. So sorgten u.a. die Versenkung der „Lusitania“ und die Wiederaufnahme des uneingeschränkten U-Boot-Kriegs gegen Handelsschiffe durch das Deutsche Reich für den Abbruch der diplomatischen Beziehungen beider Staaten. Anders als die USA, behielten die lateinamerikanischen Staaten den diplomatischen Diskurs zum Reich größtenteils bei. Dies änderte sich jedoch allmählich mit dem Kriegseintritt des großen Nachbarn. Allerdings zog der zentral- bzw. südamerikanische Kontinent nicht geschlossen nach, denn dieser war in die mehrheitlich neutral eingestellten und den wenigen kriegsbefürwortenden Staaten gespalten. Lediglich die unter US-amerikanischen Protektorat stehenden Staaten, Dominikanische Republik, Kuba und Panama (mit seinem strategisch wichtigen Kanal), erklärten dem Deutschen Reich ebenfalls sofort den Krieg.

Stefan Rinke analysiert in diesem Kontext, welche Folgen der Kriegseintritt bzw. die Entscheidung zur Neutralität in der Gesellschaft, Politik und Wirtschaft Lateinamerikas mit sich brachten. Südamerika pflegte vor dem Krieg enge wirtschaftliche Verbindungen zur sog. „alten“ Welt. Hierhin wurden industrielle Rohstoffe (Gummi, Kupfer oder Salpeter) und Lebensmittel (Fleisch, Getreide oder Kaffee) exportiert. So traf der Krieg den Kontinent sehr hart. Durch die alliierte Blockade auf den Weltmeeren lief einerseits kein deutsches Handelsschiff mehr einen südamerikanischen Hafen an, andererseits wurden die eigenen Schiffe regelmäßig durchsucht oder requiriert. Des Weiteren herrschte für alliierte Schiffe eine immerwährende Gefahr deutschen U-Booten zum Opfer zu fallen. Diese Umstände bedrohten den für viele Staaten wichtigen internationalen Handel. Lediglich Staaten wie Chile oder Venezuela, welche über kriegswichtige Rohstoffe (z.B. Öl oder Salpeter) verfügten, konnten sich wirtschaftlich einigermaßen stabilisieren. Dennoch stiegen auch hier, wie in den lateinamerikanischen Staaten insgesamt, die Arbeitslosenzahlen rasant an. Die Gründe lagen zum einen im Ausbleiben von Finanzmitteln und zum anderen an einer radikalen Einschränkung kriegswichtiger Exporte aus den USA. Diese waren für die vielen Unternehmen in den Regionen und den damit verbundenen Infrastrukturprojekten allerdings lebenswichtig. Dieser Aderlass führte in einigen Staaten zu einer galoppierenden Inflation und zu regionalen oder flächendeckenden sozialen Unruhen, welche oft nur unter massiver Anwendung von Gewalt eingedämmt werden konnten.

Die US-amerikanische Propagandamaschine legte einen Schwerpunkt seiner Arbeit auf Lateinamerika. Ihre Arbeit drückte sich, laut Rinkes Studien, in der Beeinflussung der heimischen Presse, Filmen oder Veranstaltungen für bestimmte Gesellschaftsschichten aus. Ziel des US-Propagandakrieges war es, das Deutsche Reich als imperialistischen Aggressor darzustellen, welcher auf dem südamerikanischen Kontinent ein neues Kolonialsystem einführen wolle. Jedoch führte auch die deutsche Propaganda dieses Argument an, allerdings gegen die Vereinigten Staaten. Der deutschen Propaganda schlossen sich viele prominente Gegner des sog. „Yankee-Imperialismus“ an, welche schon seit längerem vor dem imperialistischen großen Nachbarn in zahlreichen Schriften warnten.

Dennoch hielten die meisten an ihrer Neutralität fest. Nach Rinkes Ansicht befürchteten die meisten Staaten während und nach dem Krieg in ein Abhängigkeitsverhältnis gegenüber dem großen Nachbarn zu geraten. Traurige Beispiele für eine mehr oder minder starke Protektion durch die Vereinigten Staaten waren u.a. die Dominikanische Republik oder Kuba. Diese mussten ihre Wirtschaft nach dem Willen der USA vollends auf den Krieg ausrichten. Des Weiteren konnten sich die lateinamerikanischen Staaten nicht auf einen Vermittlungs- bzw. Friedensvorschlag einigen. Einzelne Staaten verweigerten sich immer wieder gegenüber Initiativen eines Nachbarlandes. Die Gründe hierfür lagen zum einen in einer seit Jahrzehnten bestehenden Rivalität (z.B. Argentinien und Brasilien) und zum anderen in den Ergebnissen früherer Kriege (der Salpeterkrieg Chiles gegen Bolivien und Peru).

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7 Kommentare

  1. „Einzelne Staaten…“
    Ist 1917 deshalb eine Wegscheide für Südamerika? Ein solcher Titel muss erläutert werden.

    Bewerte das Kapitel auch im Kontext des Buches hinsichtlich der Zielgruppe und nenne klar die Ergebnisse des Textes, auch im Kontrast zu anderen Werken.Reference

  2. Kriegserklärung
    Wieso stehen die USA im Fokus? Ist deren Entwicklung im Krieg bedeutsam für die südamerikanischen Staaten? Ist das eine These des Autors?

    „zog…nicht geschlossen nach“
    zogen nicht nach in Richtung… Einstellen der diplomatischen Beziehungen zum DR? Dieser Abschnitt ist etwas unübersichtlich formuliert. Versuch, die Akteure nacheinander zu beleuchten.Reference

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